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Schinderhannes "tauft" Tabak

18. Juni 2019

MORBACH. Der Hunsrück kennt viele Geschichten. Eine davon erzählt von Johannes Bückler, der als Schinderhannes traurige Berühmtheit erlangte. Sein Schicksal inspirierte Schriftsteller, Drehbuchautoren und sogar Tabakproduzenten.

Im Hunsrücker Holzmuseum in Morbach zeigt die Ausstellung „Räubertabak: Starker Tobak aus unserer Heimat“ nicht nur die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte des Tabaks für die Region, sondern auch die Rolle des Räuberhauptmanns bei der Entwicklung eines Feinschnitts.

DTZ hat mit Kuratorin Annette Eiden über die Hintergründe gesprochen. Wie passen Tabak und Hunsrück zusammen? „Das Thema hat mich gereizt“, sagt Eiden. „In Morbach gab es seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine Reihe von Tabak verarbeitenden Betrieben.“ Der Tabak wurde im Westen, in der Wittlicher Senke, an der Mosel angebaut. Dort gab es bereits Unternehmen, die den Tabak verarbeiteten. Im Hunsrück war der Anbau wegen des Klimas und der Bodenbeschaffentheit unmöglich.

„Die ersten Betriebe wurden 1830 in Morbach gegründet”, verrät Eiden. Es war die Zeit der großen Armut im Hunsrück: Viele Menschen wanderten in die USA und nach Brasilien aus. Diejenigen, die blieben, schauten sich nach Alternativen um und entdeckten den Tabak für sich.

Wie Peter Mettler: Die Manufaktur der Firma Mettler war später die Keimzelle des heutigen Weltunternehmens Papier-Mettler. Die Tabakverarbeitung war im 19. und in Teilen des 20. Jahrhunderts ein florierender Wirtschaftszweig in Morbach. „In den Tabakspinnereien wurde Tabak zu Strängen gerollt und auf Trommeln gedreht“, erklärt Eiden; „in der Regel wurden die Stränge von den Konsumenten selbst portioniert.“ Darüber hinaus gab es losen Tabak in sogenannten „Spitztütchen“. In der Ausstellung sind davon noch einige Originale zu sehen.

Außerdem wurden Roll- oder Strangtabak, Feinschnitt – unter anderem für Zigaretten und Pfeifen, Stumpen und Zigarrentabak sowie Krüllschnitt für Pfeifen konsumiert. Der Rolltabak, auch als Strollen bekannt, wurde vor allem in Streifen geschnitten und gekaut. Hauptabnehmer waren Bergarbeiter, die unter Tage nicht rauchen durften.

Viele der Ausstellungsstücke erhielt Annette Eiden, seit 2007 Vorsitzende des Morbacher Hunsrückvereins, aus erster Hand, beispielsweise vom inzwischen verstorbenen Josef Mettler, der im Unternehmen seines Vaters August Mettler gearbeitet hatte und noch wusste, welcher Tabak für welches Produkt verwendet wurde.

Woher stammt der Titel der Ausstellung? „Mit der Bezeichnung spielen wir auf die Tabaksorte „Schinderhannes“ von Franz Brück an. Die Packung trägt eine Skizze und die Unterschrift des Räubers Johannes Bückler“, erläutert Eiden. Brück kam die Idee dazu, als der Film „Schinderhannes“ 1958 mit Curd Jürgens und Maria Schell in den Hauptrollen an Originalschauplätzen im Hunsrück gedreht wurde. Und er sollte Recht behalten: „Der Feinschnitt wurde zum Verkaufsschlager“, weiß Eiden.

Die Hunsrücker Tabak-Retrospektive findet in einem der vier Ausstellungsräume im Holzmuseum statt. „Mit der Schau wollen wir auch zeigen, wie erfinderisch die Menschen im Hunsrück waren – und sind“, sagt Eiden. Für die 16. Sonderausstellung des Holzmuseums haben sich Eiden und ihr fast 90-köpfiges Team anderthalb Jahre vorbereitet. „Wir suchen den Aha-Effekt, um Themen vor dem Vergessen zu bewahren.“ Um das zu erreichen, sind zahlreiche Exponate zu sehen, darunter auch Lieblingsstücke der Kuratorin wie eine 100 Jahre alte Shisha-Pfeife, die der Großvater eines Hunsrückers aus der Türkei mitgebracht hat, wo er ein Jahr als Lehrer gearbeitet hat. Und natürlich das Original-Päckchen des Schinderhannes-Feinschnitts – zwei von vielen spannenden Geschichten, die die Ausstellung erzählt.

Information zur Ausstellung

Die Sonderausstellung „Räubertabak: Starker Tobak aus unserer Heimat“ ist bis 1. Januar 2021 zu sehen. Geöffnet ist die Ausstellung im Sommerhalbjahr dienstags bis samstags von 14 bis 17 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 10.30 bis 17 Uhr.

Auf Anfrage öffnet das Museum für Führungen und Veranstaltungen auch außerhalb der Öffnungszeiten. Catering und Räumlichkeiten können vor Ort gebucht werden. Weitere Infos gibt es online unter www.holzmuseum.morbach.de.

Quelle: 08. Mai 2019, DTZ, Kerstin Kopp
Foto: DTZ/Kerstin Kopp

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